Sorgerecht- Kindeswohl und Kindeswille ((C) FFCucina Liz Collet/ fotolia.com-
Sorgerecht- Kindeswohl und Kindeswille ((C) FFCucina Liz Collet/ fotolia.com)

Was ist beim Kindeswohl zu berücksichtigen? Im Rahmen einer Abänderungsentscheidung zum Sorgerecht wird der Kindeswille nur dann berücksichtigt, wenn er autonom gebildet worden ist und andere Belange nicht entgegenstehen.

Sachverhalt

Der Bundesgerichtshof hatte sich mit folgendem Sachverhalt auseinanderzusetzen:

Din Ehepaar hatte sich geschieden. Aus der Ehe waren drei Kinder hervorgegangen. Aufgrund einer  Entscheidung des Amtsgerichts wurde der Mutter das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen.

Der Vater machte nun eine Abänderung geltend.

Er beantragte für die drei Kinder die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrecht, hilfsweise eine Umgangsregelung, die einem Wechselmodell entspricht. Ein Hauptargument war hier, dass sich die Kinder entsprechend geäußert und verhalten hätten.

Das Familiengericht und das Oberlandesgericht hatten die Anträge jeweils abgelehnt. Die Abänderung entspräche nicht dem Kindeswohl. Der Vater reicht daher Rechtsbeschwerde ein.

Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 27. November 2019 (XII ZB 511/18)

Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsbeschwerde des Kindesvaters abgewiesen.

Grundlage der Entscheidung

Gemäß § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Entscheidung zum Sorge- oder Umgangsrecht oder ein gerichtlich gebilligter Vergleich zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist.

Im Hinblick auf das Kindeswohl sind verschiedene Kriterien zu berücksichtigen.

Dazu zählen insbesondere die

  • Erziehungseignung der Eltern,
  • die Bindungen des Kindes,
  • die Prinzipien der Förderung und
  • der Kontinuitätsgrundsatz sowie
  • die Beachtung des Kindeswillens.

Dabei betont der Bundesgerichtshof, dass die Einzelheiten im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sind und es zusätzlich wichtig ist, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

Der Bundesgerichtshof hatte dabei zur Kenntnis genommen, dass die Kinder sich für eine Veränderung der Betreuungssituation ausgesprochen hätten. Es vertritt aber die Auffassung, dass die Kinder diesen Willen nicht eigenständig und unbeeinflusst geäußert hätten. Zusätzlich ergeben sich Defizite in anderen Bereichen. Hierzu führt der Bundesgerichtshof aus:

„Demgegenüber fällt jedoch erheblich ins Gewicht, dass hinsichtlich der Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters, insbesondere seiner Bindungstoleranz, deutliche Abstriche zu machen sind. Das Oberlandesgericht hat insoweit in rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, der Kindesvater vermöge es nach wie vor weniger als die Kindesmutter, den Kindern zu ihrer Entwicklung Freiräume zu gewähren und dabei eigene Bedürfnisse hintanzustellen.

In diesem Zusammenhang sei auch das über Jahre hinweg wiederholte und drängende Einwirken auf die Kinder negativ zu gewichten. Wenn der Kindesvater insbesondere in den Übergabesituationen, in denen es den Kindern und vor allem K-D. schwergefallen sei, sich von ihm zu lösen und zur Mutter zu gehen, diese Situationen filme, anstatt den Kindern als Vater stärkend zur Seite zu stehen, zeige dies, dass er sich in für die Kinder wichtigen Situationen weniger empathisch auf die Bedürfnisse der Kinder einstellen könne.

Erzieherische Defizite des Kindesvaters betreffen vor allem auch die Vermittlung von Regeln und Grenzen. Zudem lässt er es an der notwendigen Loyalität zur Kindesmutter als dem anderen Elternteil fehlen. Es wirkt sich nachteilig auf die Kinder aus, wenn sie von einem Elternteil – bewusst oder unbewusst – unter “Koalitionsdruck” gesetzt und sie dadurch in Loyalitätskonflikte gebracht werden” (BGH vom 27.11.2019).

Fazit zum Kindeswohl

Die Verfahren im Sorgerecht aber auch im Umgangsrecht werden häufig durch die Behauptung begleitet, eines der Kinder oder alle Kinder habe den Willen geäußert dass eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung geht. Für Juristen ist dies nur bedingt nachvollziehbar. Dafür werden dann der Verfahrensbeistand, das Jugendamt oder in besonderen Fällen auch ein Sachverständiger eingesetzt.

Der BGH hatte sich mit einem Fall auseinanderzusetzen, in denen die Kinder geäußert hätten ein Wechselmodell zu wünschen. Dabei betonte das Gericht, dass der Kindeswille nicht das alleinige Kriterium sei.

Ausgangspunkt für eine Sorgerechtsentscheidung ist immer das sogenannte Kindeswohl.

Das „Wohl des Kindes“ oder „Kindeswohl“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Das Kindeswohl hat nach sogar Vorrang vor den Elterninteressen.

Sollte es zu einer Entscheidung über das Sorgerecht bzw. das Aufenthaltsbestimmungsrecht kommen, so prüfen die Gerichte immer zwei Stufen:

Zuerst prüfen die Gerichte ob die Aufhebung der gemeinsamen Sorge/dem Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Kindeswohl am ehesten entspricht.

Sollte dies bejaht werden, dann wird geprüft ob die Übertragung des Sorgerechts bzw. des Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Antragsteller am ehesten dem Kindeswohl entspricht. Juristen nennen dies auch doppelte Kindeswohlprüfung.

Doppelte Kindeswohlprüfung zu Festlegung, ob und wie das Sorgerecht verteilt wird. www.anwalt-wille.de
Doppelte Kindeswohlprüfung

Innerhalb des Sorgerechts werden dann unterschiedliche Kriterien geprüft, nämlich

die Erziehungseignung der Eltern,

die Bindungen des Kindes,

die Prinzipien der Förderung und

der Kontinuitätsgrundsatz sowie

die Beachtung des Kindeswillens.

Im vorliegenden Fall hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass der Kindeswille natürlich ein wichtiger Bestandteil des Kindeswohls ist. Aber ein solcher Kindeswille höhere würde nicht beachtet, wenn ein Elternteil auf den Kindeswillen erheblichen Einfluss nimmt. Darüber hinaus darf der Kindeswille nicht als alleiniges Kriterium herangezogen werden. Andernfalls würde dies bedeuten, dass man die alleinige Entscheidung auf das Kind überträgt.

Die Fälle sind für Außenstehende immer nur bedingt zurück prüfen. Dies liegt natürlich daran, dass man die gesamte Akte nicht kennt. Zum anderen sind solche Fälle immer Einzelfallentscheidungen. Wichtig in solchen Verfahren sind auch die Anhörungen der Kinder/ des Kindes.

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Autor: Rechtsanwalt Klaus Wille
und Fachanwalt für Familienrecht
Dozent für das Arbeits- und
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