1. Sachverhalt

Die Parteien sind seit Ende September 2010 getrennt. Die Antragstellerin ist zu ihrem neuen Lebensgefährten gezogen. Bei dem lebt sie und sie führt den Haushalt dort. Sie macht Trennungsunterhalt ab Dezember 2010 geltend. Aus der Ehe der Parteien sind keine gemeinsamen Kinder hervorgegangen. Die Parteien sind seit dem Jahr 2000 verheiratet.

Die Antragstellerin beansprucht monatlichen Unterhalt in Höhe von mindestens 940,00€. Das Amtsgericht hat den Antragsgegner verpflichtet für die Zeit von Dezember 2010 bis September 2011 (bis zum Ende des ersten Trennungsjahres) Trennungsunterhalt in Höhe von 410,00€ zu zahlen. Der Unterhalt wurde wegen Verwirkung auf diesen Betrag herabgesetzt. Ab Oktober 2011 wurde der Unterhalt gänzlich versagt.

Dagegen legte die Antragstellerin Beschwerde ein. Sie verlangt nunmehr laufenden Unterhalt in Höhe von 1.090,00€. Der Antragsgegner legte Anschlussbeschwerde ein und beantragte überhaupt keinen Unterhalt mehr zahlen zu müssen.

2. Rechtlicher Hintergrund

Der Trennungsunterhalt kann gemäß § 1361 Abs.3 i.V.m. § 1579 Nr.7 BGB verwirkt sein, wenn dem Berechtigten ein offensichtliches, schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten zur Last fällt. Nach der Rechtsprechung des BGHs kann ein solches Fehlverhalten dann vorliegen, wenn sich ein Ehegatten einseitig von der Ehe löst und sich einem anderen Partner zuwendet.

3. Beschluss des OLG Oldenburg vom 19.03.2012 (Az.: 13 UF 155/11)

Das Oberlandesgericht (kurz: OLG) hat auf die Beschwerde der Antragstellerin hin den Beschluss des Amtsgerichts teilweise abgeändert und den Antragsgegner verurteilt in Höhe von 1.090 € für den Monat Dezember und am Januar 2011 bis einschließlich September 2011 1.025 € monatlichen Unterhalt zu zahlen. Danach müsse kein Unterhalt mehr gezahlt werden.

a) Keine Verwirkung des Trennungsunterhaltes während des Trennungsjahres

Das Oberlandesgericht stellt klar, dass nach der Rechtsprechung des BGHs sich der Unterhaltsberechtigte widersprüchlich verhalte, wenn er zum einen die eheliche Bindung löst und zum anderen gemäß der ehelichen Solidarität noch weiteren Unterhalt fordert. Hierzu führt das Oberlandesgericht wie folgt aus:

„Eine in dieser Weise erfolgte Abkehr von der Ehe führe dazu, dass die Inanspruchnahme des anderen Ehegatten grob unbillig erscheine. Wesentlich sei dabei, ob das Verhalten des Berechtigten für das Scheitern der Ehe ursächlich sei (…). Für die Frage, ob das Verhalten ursächlich ist, kommt es nach dieser Ansicht darauf an, ob die Ehe noch intakt war oder ob die Ehe bereits aus anderen Gründen gescheitert war. Nach der Rechtsprechung des BGH reicht es für die Replik des Ehepartners, die Abkehr aus der Ehe sei nur die Reaktion auf entsprechendes Verhalten des anderen Ehegattens gewesen, nicht aus, dass lediglich allgemein eine Mitverursachung aufgezeigt wird. Erforderlich sei vielmehr ein konkretes Fehlverhalten von einigem Gewicht, dass dem anderen Ehegatten vorzuhalten ist und dass dem unterhaltsbegehrenden Ehegatten ein festhalten an der Ehe erheblich erschwert hat und sein eigenes Fehlverhalten in einem milderen Licht erscheinen lässt (…).”

Das Oberlandesgericht sieht hier keinen Verwirkungstatbestand innerhalb des Trennungsjahres. Es entspreche

„allgemeiner Lebenserfahrung“, dass sich ein Ehepartner nicht „einfach so“ aus der einstmals mit allen Erwartungen auf Dauer eingegangen ehelichen Beziehung loslöst und sich einem anderen Partner zuwendet, sondern dass dem eine „Erosion“ der ehelichen Beziehung vorausgegangen ist.“

Der Antragsteller habe ihren jetzigen Lebenspartner schon einige Jahre gekannt. Nach Angaben des Antragsgegners seien sogar schon intime Beziehungen zwischen der Antragstellerin und ihrem neuen Lebensgefährten vorhanden gewesen. Die Ehe befand sich daher aus objektiver Sicht schon über einen längeren Zeitraum in einer Krise. Allein die Zuwendung zu einem neuen Partner rechtfertige nach Auffassung des Oberlandesgerichts nicht die Annahme eines offensichtlich schwerwiegenden Fehlverhaltens.

Für diesen Zeitraum (bis September 2011) sei daher der Unterhalt zu zahlen.

b)  Verwirkung des Trennungsunterhalts ab September 2011

In Ausnahmefällen könne schon nach Ablauf des ersten Trennungsjahres der Unterhalt verwirkt sein, wenn eine eheliche Lebensgemeinschaft vorhanden sei. Zunächst stellte das Oberlandesgericht klar, dass in zeitlicher Hinsicht regelmäßig nicht vor Ablauf von zwei Jahren davon ausgegangen werden könne, dass sich eine Lebensgemeinschaft in diesem Sinne verfestigt habe. Im vorliegenden Falle komme aber hinzu, dass die Annahme einer verfestigten Lebensgemeinschaft schon vor Ablauf dieser zweijährigen Frist anzunehmen sei. Spätestens seit Ende 2009 Anfang 2010 habe sich die Beziehung durch telefonische Kontakte kontinuierlich vertieft. Zwar habe es noch keine intimen Kontakte gegeben. Doch die Parteien seien sich so vertraut gewesen, dass die Antragstellerin direkt nach der Trennung zu ihrem Lebensgefährten gezogen sei, wo sie auch noch heute lebt. Daher habe sich die Beziehung der Antragstellerin schon nach Ablauf des Trennungsjahres so verfestigt gehabt, dass die weiteren Unterhaltszahlungen für den Antragsgegner nicht mehr zuzumuten gewesen seien. Der Unterhalt sei hier verwirkt.

4. Fazit

Es gibt nur vereinzelt Entscheidungen dazu, ob ein Unterhaltsanspruch schon dann verwirkt ist, wenn der Unterhaltsberechtigte kürzer als zwei Jahre mit seinem neuen Partner eine Lebensgemeinschaft führt. Das AG Essen hatte bereits am 11.03.2009 entschieden, dass eine verfestigte Lebensgemeinschaft bereits nach einem Jahr vorliegen könne. Mehr zu dieser Entscheidung des AG Essen direkt hier.

Im Hinblick auf die Frage, ob der Unterhalt verwirkt sei, hat das OLG die Rechtsbeschwerde zugelassen. Es ist daher damit zu rechnen, dass die Entscheidung an den Bundesgerichtshof geht und dort eine endgültige Entscheidung auch zu der Frage ergeht, ob in Ausnahmefällen ein Trennungsunterhaltsanspruch schon nach einem einjährigen Zusammenleben anzunehmen ist.

5. Quellenangaben

– Die Entscheidung ist unter www.olg-ol.niedersachsen.de in der Rechtsprechungsdatenbank abzurufen

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Autor: Fachanwalt für Familienrecht Klaus Wille
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