1. Sachverhalt

Der Antragsteller beantragt Verfahrenskostenhilfe (kurz: VKH). Er möchte den Unterhalt abändern für seine Tochter mit dem Ziel abändern lassen, keinen Unterhalt mehr für seine volljährige Tochter zu zahlen. Die Tochter besuchte das Berufskolleg für Praktikanten und nun die Fachschule für Sozialpädagogik. Der Antragsteller hat noch zwei minderjährigen Kindern, einem volljährigem Kind und seiner Ehefrau Unterhalt zu zahlen.

Das Familiengericht hat die VKH versagt, weil die Angelegenheit keine Aussicht auf Erfolg biete: die Antragsgegnerin absolviere eine allgemeine Schuldbildung im Sinne des §1603 Abs. 2 BGB. Damit gingen deren  Ansprüche den Unterhaltsansprüchen der Ehefrau vor. Dagegen legt der Antragsteller Beschwerde ein.

2. Beschluss des OLG Stuttgart vom 18.10.2012 – 18 WF 229/12

Das OLG hob den Beschluss des Amtsgericht auf und wies das Verfahren zur an das Amtsgericht zurück.

Die entscheidende Frage in dem Verfahren war, ob die Antragsgegnerin eine privilegierte Volljährige sei. Das OLG hält die Ausbildung der Antragsgegnerin nicht für eine allgemeine Schulausbildung im Sinne des §1603 Abs. 2 S. 2 BGB. Diese Begriff werde unter Heranziehung der zu §2 Abs. 1 Nr. 1 BAföG entwickelten Grundsätze ausgelegt. Dazu führt das OLG aus:

„Danach hat eine Eingrenzung des Begriffs in drei Richtungen zu erfolgen: Nach dem Ausbildungsziel, der zeitlichen Beanspruchung des Schülers und nach der Organisationsstruktur der Schule. Ziel des Schulbesuchs muss der Erwerb eines allgemeinen Schulabschlusses als Zugangsvoraussetzung für die Aufnahme einer Berufsausbildung oder den Besuch einer Hochschule oder Fachhochschule sein, also jedenfalls der Hauptschulabschluss, der Realschulabschluss, die fachgebundene oder die allgemeine Hochschulreife. Diese Voraussetzung ist beim Besuch der Hauptschule, der Realschule, der Gesamtschule, des Gymnasiums und der Fachoberschule immer erfüllt. Anders zu beurteilen ist der Besuch einer Schule, die neben allgemeinen Ausbildungsinhalten bereits eine auf ein konkretes Berufsbild bezogene Ausbildung vermittelt (BGH FamRZ 2002, 815).“

Beim Berufskolleg für Praktikanten und auch für die Fachschule fehle es an der Voraussetzungen, dass eine allgemeiner Schulabschluss als Zugangsvoraussetzungen für die Aufnahmen einer Berufsausbildung oder für den Besuch einer Hochschule erworben werden soll.

Das einjährige Berufskolleg für Praktikantinnen und Praktikanten ist nach seinem Ausbildungsziel darauf ausgerichtet, auf eine Ausbildung an der Fachschule für Sozialpädagogik vorzubereiten. Es vermittelt fachliche Grundlagen für den Beruf einer Erzieherin oder eines Erziehers und fördert die Entwicklung der Handlungskompetenz und der Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler. Voraussetzung für die Aufnahme in das Berufskolleg ist die Fachschulreife oder der Realschulabschluss oder das Versetzungszeugnis in die Klasse 11 eines Gymnasiums, sowie der Nachweis eines Vertrags über die praktische Ausbildung bei einem Träger einer Tageseinrichtung für Kinder (Bl. 40 d. A.).

Schon die Formulierung des Ausbildungsziels zeigt, dass die Ausbildung auf den Erzieherberuf ausgerichtet ist. Damit steht eine konkrete Berufsausbildung im Vordergrund. Dass daneben allgemeine Handlungskompetenzen vermittelt werden, steht der Ausrichtung auf den konkret genannten Beruf des Erziehers nicht entgegen. Auch das Erfordernis einer praktischen Ausbildung in einer Tageseinrichtung für Kinder zeigt, dass Ziel des Berufskollegs, bei welchem es sich um ein Berufskolleg im Sinne des § 12 des Baden-Württembergischen Schulgesetzes handeln dürfte, nicht der Erwerb eines allgemeinen Schulabschlusses ist.“

Ähnliches gilt auch für den anschließenden Besuch der Fachschule für Sozialpädagogik. Dazu faßt das OLG zusammen:

„Sowohl die Beschreibung des Schultyps im Schulgesetz als auch die Bestimmung des Zwecks der Ausbildung zeigen, dass es sich bei dem Besuch dieser Schule nicht um eine allgemeine Schulausbildung handelt. Vielmehr geht es nach dem Wortlaut der Ausbildungsordnung um die Tätigkeit in allen sozialpädagogischen Bereichen und dies nicht in irgend einem Berufsbild, sondern konkret im Beruf des Erziehers bzw. der Erzieherin. Dass neben diesem Berufsziel durch Ablegung einer Zusatzprüfung auch der Erwerb der Fachhochschulreife möglich ist, steht dem nicht entgegen. Denn hierbei handelt es sich nicht um das hauptsächliche Ziel der Ausbildung, sondern um eine zusätzliche Option, welche nach § 29 der Ausbildungsordnung die Teilnahme an zusätzlichem Unterricht im Wahlfach Mathematik, sowie insbesondere die Durchführung einer Zusatzprüfung nach § 30 des Ausbildungsordnung voraussetzt. Die Regelungen zeigen, dass es sich hierbei um eine Zusatzqualifikation und nicht um den Hauptgegenstand der schulischen Ausbildung handelt.

Besonders eindrucksvoll bestätigt wird die Ausrichtung der Schule auf die Ausbildung zum Beruf der Erzieherin oder des Erziehers dadurch, dass nach erfolgreichem Abschluss der gesamten Ausbildung die Berufsbezeichnung „staatlich anerkannter Erzieher“ bzw. „staatlich anerkannte Erzieherin“ erworben wird.“

Da die Antragsgegnerin sich nicht in der allgemeinen Schulausbildung befindet, geht sie im Rang den minderjährigen Kindern und der Ehefrau des Antragstellers nach.

3. Fazit

Wenn der Unterhaltspflichtige nicht in der Lage ist alle Ansprüche der Berechtigten im vollständig zu erfüllen (sog. Mangelfall) ist §1609 BGB zu berücksichtigen.
Dann wird hier festgelegt, welche Unterhaltsansprüche vorrangig zu bedienen sind.  Im ersten Rang und damit vorrangig vor allen anderen Unterhaltsansprüchen sind folgende Personen: Minderjährige unverheiratete Kinder und privilegiertes volljähriges Kinder Im zweiten Rang stehen dann Kinderbetreuende Elternteile und Ex-Ehepartner mit langer Ehedauer. Im 3. Rang stehen geschiedene Ehegatte und Ehepartner die nicht in den 2. Rang fallen. Erst danach folgend die nichtprivilegierten volljährigen Kinder (4. Rang). Bei volljährigen Kinder kommt es daher darauf an, ob Sie sog. privilegierte volljährige Kinder gemäß §1603 Abs. 2 BGB  sind.

Nach § 1603 Abs. 2 BGB ist ein volljähriges Kind privilegiert, wenn es:

  • das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat
  • bei den Eltern (oder einem Elternteil) lebt und unverheiratet ist
  • sich in einer allgemeinen Schulausbildung befindet

Sofern das Kind nicht „privilegiert“ im Sinne des §1603 Abs. 2 BGB ist, greift die Rangfolge im Unterhaltsrecht: Der Unterhaltspflichtige haut zuerst die Unterhaltspflicht für die minderjährigen Kinder und die volljährigen privilegierten Kinder erfüllen (1. Rang); wenn dann noch Mittel für den Unterhalt übrig sind, werden die Berechtigten aus dem 2. Rang, d.h. also die kinderbetreuenden Elternteile und die Ehegatten aus einer Ehe mit langer Dauer bedient. In dem 3. Rang folgen denn die Ehegatten, die nicht im 2. Rang einzustufen sind. Erst danach folgen im 4. Rang die nicht priviligierten volljährigen Kinder.

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Rechtsanwalt Klaus Wille
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