Bewohnt eine Enkelin mit ihrem Vater eine Wohnung so kann ihr bzw. ihrem Vater wegen Eigenbedarfs gekündigt werden, damit die Tochter des Vermieters einziehen kann.

1. Sachverhalt

Der Kläger begehrt die Herausgabe einer 4-Zimmerwohnung wegen Eigenbedarfs. Die Beklagte war bei Anmietung der Wohnung mit der Tochter des Klägers verheiratet. Die Ehe wurde geschieden und aus der Ehe ist eine gemeinsame Tochter hervorgegangen. Die Tochter ist zum Zeitpunkt der Entscheidung 12 Jahre alt. Die geschiedenen Ehegatten praktizieren das sogenannte echte Wechselmodell. Die Tochter hält sich eine Woche bei dem Beklagten und die andere Woche bei der Mutter auf. Sie besucht das Gymnasium. Der Kläger hat dem Beklagten gekündigt und Eigenbedarf zu Gunsten seiner zweiten Tochter angemeldet. Die zweite Tochter hatte im Jahre 2010 ein Kind zur Welt gebracht.

2. Rechtlicher Hintergrund

Gemäß § 573 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BGB hat der Vermieter einen Grund zur ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses, wenn ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses vorliegt. Dies liegt unter anderem dann vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen und angehörige seines Haushalts benötigt. Dazu muss der Vermieter vernünftige und nachvollziehbare Gründe für seinen Nutzungs- bzw. Überlassungswunsch anführen.

3. Urteil des Amtsgerichts Köln vom 13.07.2011 (Az.: 201 C 254/10)

Das Amtsgericht verurteilte den Beklagten zur Räumung der Wohnung und räumte ihm eine halbjährige Räumungsfrist ein. Obwohl in der Wohnung bereits die Enkelin des Vermieters  wohne, könne der Vermieter eine Kündigung wegen Eigenbedarfs aussprechen. Dazu führte das Amtsgericht wie folgt aus:

“Nach Überzeugung des Gerichts sind die vorgenannten Grundsätze auch dann zu beachten, wenn – wie hier – bereits Familienangehörige des Vermieters, die von der Eigenbedarfskündigung betroffene Wohnung bewohnen. Der Umstand, dass mit dem Ex-Mann der Tochter und mit der Enkelin des Klägers bereits Verwandte in der Wohnung wohnen und der Kläger den Eigenbedarf mit dem Nutzungswunsch der anderen Tochter und ihrer Familie begründet, führt vorliegend nicht dazu, dass wegen des gleichsamen Austausches von Familienmitgliedern durch andere Familienmitglieder der Belassungswille des Vermieters als Ausdruck seiner Freiheit, mit seinem Eigentum nach eigenen Vorstellungen und der eigenen Lebensplanung zu verfahren, geringer zu gewichten ist. Lediglich sind an die Feststellungen des Eigenbedarfs strengere Anforderungen zu stellen, d.h. die Vernünftigkeit und Nachvollziehbarkeit der, für den Eigenbedarf angeführten Gründe, sind besonders gewissenhaft zu prüfen.“

Das Gericht hielt im Weiteren das Überlassungsinteresse des Klägers für nachvollziehbar und vernünftig. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Zeugen glaubhaft und überzeugend dargelegt hätten, aus welchen Gründen sie die neue Wohnung in Köln bewohnen wollten. Der Nutzungswunsch der Tochter des Klägers sei auch weiterhin fortbestehend.
Der Beklagte und seine Tochter könnten auch nicht die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, weil die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn und dessen Tochter keine Härte bedeuten würden. Dazu führt das Gericht wie folgt aus:

“Der Beklagte hat zur Begründung einer außergewöhnlichen Härte vorgetragen, dass zum einen durch einen Umzug ein Schulwechsel seiner Tochter notwendig werden könnte, was in ihrem alter die stabile Persönlichkeitsentwicklung stören könnte und zum anderen auch das praktizierte echte Wechselmodell gefährdet werden könnte. Ferner hat er geltend gemacht, dass es ihm aufgrund seiner schwierigen finanziellen Lage nicht möglich sei vergleichbaren Wohnraum zu einer vergleichbaren Miete zu finden und ihm auch die Stellung der Kaution unmöglich ist. Die angeführten Gründe vermögen jedoch weder für sich betrachtet, noch in ihrer Zusammenschau einen, die Vermieterinteressen überwiegendes Interesse des Beklagten an der Fortsetzung des Mietverhältnisses zu rechtfertigen.“

Das Gericht dann im Weiteren aus, dass der Schulwechsel eines Kindes keine außergewöhnliche Härte begründe. Darüber hinaus sei es einem Kinde zumutbar längere Schulwege in Kauf zu nehmen. Darüber hinaus hält das Gericht “die Situation auf dem Kölner Wohnungsmarkt nicht als so schlecht“, dass es dem Beklagten nicht zumutbar sei eine Wohnung in der Nähe der Schule der Tochter zu finden.
Auch das laufende Insolvenzverfahren des Beklagten sei kein Hindernisgrund für die Entscheidung des Gerichts. Dazu führt das Gericht wie folgt aus:

“Eine unter Würdigung der Vermieterinteressen nicht zu rechtfertigende Härte besteht auch nicht deshalb, weil über das Vermögen des Beklagten mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 09.03.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Auffassung des Beklagten, dass es ihm aufgrund des laufenden Insolvenzverfahrens nicht möglich sei, ein Darlehen zur Stellung der Kaution aufzunehmen, ist nicht zu folgen. Denn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat lediglich zur Folge, dass der Insolvenzschuldner die Verfügungsgewalt über die zu seinem Vermögen gehörenden Gegenstände verliert. Die Befugnis zum Abschluss von Verpflichtungsgeschäften, wie beispielsweise Kaufverträgen und Darlehensverträgen, wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens dagegen nicht berührt.“

4. Fazit

Die Entscheidung hat zur Folge, dass ein Vermieter selbst dann ein Mietverhältnis kündigen kann, wenn bereits schon ein naher Angehöriger in der Wohnung lebt. Die Auffassung, dass der Wohnungsmarkt in Köln nicht so schlecht sei ist eine ziemlich mutige Behauptung. Darüber hinaus ist die Behauptung, dass man mit einem Insolvenzverfahren einen Darlehensvertrag erhalten würde ebenfalls nicht nachvollziehbar.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Derzeit liegt das Urteil beim Landgericht Köln. Das Landgericht Köln hat die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne Sicherheitsleistung eingestellt.
Das Urteil ist im Volltext hier abrufbar!

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Klaus Wille
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