Der Kindesunterhalt ist gegenüber den Ehegattenunterhalt im Mangelfall vorrangig Der Splittingvorteil aus der ersten Ehe ist komplett bei der Unterhaltsberechnung einzubeziehen.

1. Sachverhalt
Der BGH hatte über einen sog. Mangelfall zu entscheiden, da der Unterhaltspflichtige Vater zu wenig Einkommen hatte um den Unterhalt seiner Kinder aus erster Ehe, seiner geschiedenen Ehefrau und auch seiner neuen Ehefrau zu leisten. Da das Einkommen des Vaters für den Unterhalt nicht ausreichte, lagen die festgesetzten Unterhaltsbeträge für die Kinder unterhalb des Existenzminimums zwischen 41 € und 58 €). Die Mutter der drei Kinder und die Kinder verlangten eine Erhöhung des Unterhaltes, da Kreditverbindlichkeiten weggefallen seien. Der unterhaltspflichtige Vater berief sich u.a. darauf, daß der sog. Splittingvorteil aus der neuen Ehe (ca. 250 €) nicht berücksichtigt werden könne.
Das Amtsgericht Lingen ordnete den vollständigen Wegfall des Unterhalts an. In der Berufungsinstanz wurde der Unterhalt für die Kinder auf 20,00 € monatlich – pro Kind- festgesetzt. Das Oberlandesgericht Oldenburg berücksichtigte das Einkommen des Mannes nur insoweit, wie es sich bei einer fiktiven – steuerrechtlichen- Einzelveranlagung ergeben würde. Der Splittingvorteil wurde dabei nicht berücksichtigt. Dagegen wurde Revision eingelegt. (vgl. Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 17.09.2008 (175/2008))

2. Rechtlicher Hintergrund

Der Begriff Splittingtarif stammt aus dem Einkommensteuerrecht und beschreibt den für Ehepaare anwendbaren Steuertarif, der in §26 EstG beschrieben ist. Er bewirkt, daß die Ehegatten als Wirtschaftsgemeinschaft betrachtet werden und dadurch – häufig – Steuervorteile genießen. Bisher war fraglich, ob der Steuervorteil aus der neuen Ehe auch den Ehegatten und den Kindern aus der vorherigen Ehe zugerechnet wird.

3. Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 17.09.2008 (Az.: XII ZR 72/06)

Der BGH hatte erstmals zu entscheiden, ob in einem Mangelfall bei der Kindes-Unterhaltsberechnung gilt, der Splittingvorteil aus der ersten Ehe zu berücksichtigen ist. Das sei zu bejahen.
Der BGH wies zunächst auf die neue Rangfolgenregelung des §1609 BGB hin, wonacht der Kindesunterhalt in Mangelfällen vor allen anderen Unterhaltsansprüche zu befriedigen sei.
Der XII. Zivilsenat hat nunmehr klargestellt, dass das Einkommen, das über den Selbstbehalt hinausgeht, für den vorrangigen Kindesunterhalt vollständig zur Verfügung stehen muss. Ausnahmen nach dem jeweiligen Sinn und Zweck eines Einkommensbestandteils oder einer Steuervergünstigung sind  nicht veranlass, da das Gesetz keine Einschränkung zulasse.
Eine Einschränkung der Einkommensanrechnung ergibt sich nur dann, wenn der neue Ehegatte eigenes Einkommen erzielt und die Ehegatten – wie regelmäßig – die Steuerklassen III und V wählen. In diesem Fall müsse der neue Ehegatte einen seinem Eigeneinkommen entsprechenden Anteil am Splittingvorteil behalten.

4. Fazit

Mit diesem Urteil wurde klargestellt, daß nach dem neuen Unterhaltsrecht der Splittingvorteil innerhalb der Kindesunterhaltsberchnung zu berücksichtigen ist. In Mangelfällen sind alle Einkommensarten zu berücksichtigen; jedes Vermögen ist heranzuziehen.

5. Quelle

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 17.09.2008 (175/2008), die unter hier einen Beratungstermin mit uns vereinbaren.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wille
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht
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