Was passiert, wenn der Arbeitgeber zwei Kündigungen ausgesprochen hat, alle in der ersten Instanz aber nur von einer Kündigung ausgehen?
1. Sachverhalt
Der Kläger war seit 1985 als Kranführer bei der Beklagten beschäftigt. Im Mai 2005 wurde der Kläger zunächst vorübergehend, später dauerhaft von seinem ursprünglichen Einsatzort zu einen andern Ort umgesetzt. Bei der Beklagte existierte eine Richtlinie für die Benutzung von KFZ für Dienstfahrten, wohnach jeder Arbeitnehmer für Dienstfahren mit einem eingenem PKW Fahrtkilometer erstattet erhielt. Der Kläger reichte zwei Fahrtkostenabrechnungen ein, mit denen er Fahrten von 144km als Dienstfahrt gelten machte. Die Beklagte verweigert die Anerkennung und hielt ihm vor, daß er die angeblichen Fahrten nicht (mehr) als Deinstfahrt hätte aberechnen dürfen.
Die Beklagte fertigte zwei Kündigungsschreiben mit gleichem Datums (18. August.2007), auf dem gleichen Briefbogen sowie jeweils mit der Unterschrift desselben Geschäftsführers und des Personalleiters. In dem einen Schreiben wurde wegen versuchten Betruges und in dem zweiten Schreiben wurde anstelle der Wendung "wegen des versuchten Betruges" die Wendung "wegen des dringenden Verdachts des versuchten Betruges" eingesetzt. Die Schreiben waren sonst nhaltsgleich.
Der Kläger reichte beim Arbeitsgericht eine Klage ein, mit der er sich gegen die Kündigung vom 18. August 2006 wendete. Der Klage für Gericht und Gegner waren das Kündigungsschreiben beigefügt, im welchem dem Kläger wegen des dringenden Verdachts des versuchten Beetruges ausgesprochen hatte, sowie die Stellungnahme des Betriebsrates. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Dagegen richtete sich die Berufung.
2. Rechtlicher Hintergrund
Eine fristlose Kündigung kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ausgesprochen werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§626 BGB).
Möchte sich der Arbeitnehmer gegen die Kündgiung wehren muß er eine Klage beim Arbeitsgericht einreichen. Oft kündigen Arbeitgeber nicht nur aus einem Grund, sondern aus verschiedenen Gründen. Dann muß sich der Arbeitnehmer in der Regel  auch gegen jeden Grund wehren; kündigt der Arbeitgeber in verschiedenen Schreiben, so muß der Arbeitnehmer auch gegen jede einzelnen Künigung vorgehen.
3. Entscheidung des Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 24.05.2007 (13 Sa 1287/06)
Das Gericht hat die Berufung abgewiesen.
Zunächst begann der Termin für alle Beteiligten überraschend, weil die Beklagte erstmalig im Berufungstermin sich darauf berufen hatte, daß sie sowohl die Verdachtskündigung als auch die Kündigung wegen Betruges als Kündigungsgrund angesehen habe. Sie machte daher zwei Kündigungen geltend. Das LAG wies darauf hin, daß alle Beteiligten bisher davon ausgegangen seien, daß es sich nur um eine einzige Kündigung gehandelt habe. Es  lägen rechtlich zwei eigenständige Kündigungen vor, wofür u.a. die verschiedenen Kündigungsgründe sprächen. Der Kläger mußte davon ausgehen und konnte dies auch erkennen. Aber: Alle Parteien – auch die Beklagte -seien in der ersten Instanz davon ausgegangen, daß es sich um eine einzige Kündigung handelt. Die Beklagte haber dies auch nicht gerügt.
Daher ging das Gericht davon aus, daß denoch beide Kündigungen angegriffen worden sind.
4. Fazit
Der Kläger hatte hier Glück. Hätte das Gericht die Klage so ausgelegt, daß nur gegen die eine Kündigung Klage eingelegt wurde, so wäre die zweite – nicht angegriffene – Kündigung wirksam gewesen. Im vorliegenden Prozeß hat der Rechtsanwalt des Klägers behauptet, daß er nur ein Kündigungsschreiben von seinem Mandanten erhalten hat. Daher ist jedem Mandanten nur anzuraten, jedes Schreiben, daß er von seinem Arbeitgeber erhält – mag es noch so unscheinbar sein – dem Rechtsanwalt übergibt. So kann es plötzlich böse Überraschungen geben…
5. Link zu der Entscheidung
Das Urteil finden Sie auf der Seite http://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/duesseldorf/lag_duesseldorf/j2007/13_Sa_1287_06urteil20070524.html
Rechtsanwalt Klaus Wille – Breite Str. 147- 151 – 50667 Köln – www.anwalt-wille.de