Wer formuliert das Zeugnis? Vereinbaren die Parteien, dass der Arbeitnehmer einen Zeugnisentwurf vorlegen darf, dann darf davon nur aus wichtigem Grund abgewichen werden.

1. Sachverhalt

Die Parteien streiten darum, ob die Arbeitgeberin einen arbeitsrechtlichen Vergleich erfüllt hat. In einem gerichtlichen Vergleich schlossen die Parteien eine Regelung die unter anderem wie folgt lautet:

“Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis. Dem Kläger bleibt nachgelassen, der Beklagten einen Zeugnisentwurf vorzulegen. Diese darf hiervon nur aus wichtigem Grund abweichen.”

Der Kläger übermittelte der Beklagten einen Zeugnisentwurf. Die Arbeitgeberin übersandte dem Arbeitnehmer dann ein Zeugnis, welches von den übermittelten Entwurf in einigen Punkten abwich.

Nach der Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs beantragte der Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die Arbeitgeberin. Der Arbeitnehmer ist der Auffassung, die Arbeitgeberin habe die Pflicht zur Erstellung eines Zeugnisses nicht erfüllt. Die Arbeitgeberin vertrat die Auffassung, dass das Zeugnis nicht dem Grundsatz der Zeugniswahrheit entspreche. Sie bedaure unter anderem nicht, dass der Kläger das Unternehmen verlasse. Das Arbeitsgericht hat ein Zwangsgeld gegen die Arbeitgeberin in Höhe von 1.000,00 € festgesetzt. Dagegen legte die Arbeitgeberin sofortige Beschwerde ein. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und dem Landesarbeitsgericht als Beschwerdegericht vorgelegt.

2. Beschluss des LAG Hamm vom 14.11.2016 (Az.: 12 Ta 475/16)

Das Landesarbeitsgericht stellte zunächst fest, dass in einem Vergleich die Parteien vereinbaren können, dass der Arbeitnehmer das Arbeitszeugnis formuliert. Dies komme dadurch zu zum Ausdruck, dass es der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer überlassen haben, einen Zeugnisentwurf vorzulegen von dem nur aus wichtigem Grunde abgewichen werden dürfe. Die Arbeitgeberinnen hat in dem Verfahren ausgeführt, dass sich die Formulierungen nur um Ergänzungen und Synonyme handele. Hierzu führt das Landesarbeitsgericht aus:

“Abgesehen von einigen Wendungen, die möglicherweise synonym sind („stets“ bzw. „immer“ ersetzt durch „zu jeder Zeit“), zeichnet sich das erteilte Zeugnis dadurch aus, dass die Schuldnerin die Begriffe gesteigert hat („selbstverständlich“, „äußerst“, „sehr“, „extrem“, „hervorragend“). Sinn und Zweck des Zeugnisses ist es, einem potentiellen Arbeitgeber ein möglichst wahres Urteil über die Leistung und das Verhalten im Arbeitsverhältnis zu geben (…). Insofern leistet das erteilte Zeugnis nichts.

Denn aufgrund der an vielen Stellen gesteigerten Formulierungen wird jeder unbefangene Leser des Zeugnisses erkennen, dass diese Formulierungen nicht ernstlich gemeint sind. Es handelt sich um Formulierungen, die den Zweck haben, eine andere als aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Gläubiger zu treffen (vgl. § 109 Abs. 2 S 2 GewO). Dies wird nicht nur durch die Steigerungen deutlich, sondern aus der abschließenden Leistungsbeurteilung “wenn es bessere Note als sehr gut geben würde, würden wir ihn damit beurteilen“.

Abgesehen davon, dass dieser Satz grammatikalisch misslungen ist (…), wird dadurch der ironisierende Charakter des Gesamtzeugnisses deutlich, nämlich dass sie ihre Beurteilungen nicht ernst meint. Dies wird auch im Vorbringen der Schuldnerin erkennbar, wenn sie in Bezug auf die „Bedauernsformel“, ausdrücklich mitteilt, dass das Ausscheiden des Gläubigers für sie keinen Verlust bedeute. Wäre der Gläubiger tatsächlich ein Mitarbeiter gewesen, der nach Einschätzung der Schuldnerin noch besser als „sehr gut“ war, wäre sein Ausscheiden – für jeden Arbeitgeber – ein Verlust.”

Die  Arbeitgeberin habe es nicht hinreichend einen wichtigen Grund dargelegt. Es sei im übrigen auch nicht einsehbar, warum man “Ergänzungen ohne Veränderung des Sinngehalts” überhaupt verwenden musste. Dies sei kein wichtiger Grund. Nur ein wichtiger Grund ermögliche den Arbeitgeber von dem Entwurf des Arbeitnehmers aufzuweichen. Das Zwangsgeld sei daher ordnungsgemäß festgesetzt worden.

3. Fazit

  • Gemäß § 109 GewO hat der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis, das sich nach seinem Verlangen auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt (§ 109 Abs. 1 GewO). Nach Absatz 2 dieser Vorschrift muss das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein und darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.
  • Grundsätzlich muss der Arbeitgeber, dass Zeugnis formulieren.
  • Arbeitnehmer und Arbeitgeber können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer das Zeugnis vorformuliert. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass dem Gläubiger nachgelassen bleibt, der Schuldnerin einen Zeugnisentwurf vorzulegen, von dem sie nur aus wichtigem Grund abweichen darf. Damit hat sich allerdings die Schuldnerin nicht verpflichtet, den Entwurf des Schuldners ohne weitere Prüfung und ohne jede Änderung zu übernehmen (Beschluss des LAG Hamm vom 14.11.2016, Az.: 12 Ta 475/16).
Autor: Rechtsanwalt Klaus Wille
Fachanwalt für Familienrecht
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