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BGH: Betreuungsunterhalt und Elternunterhalt (Foto: (C) Dan Race – Fotolia.com

Eine mögliche Verpflichtung zur Zahlung von Betreuungsunterhalt ist bei der Bemessung der Leistungsfähigkeit  zur Zahlung von Elternunterhalt zu berücksichtigen ist. Dies hat der BGH entschieden.

1. Sachverhalt

Die Parteien streiten um Elternunterhalt. Antragsteller ist der Sozialhilfeträger. Der Sohn des Vaters ist der Antragsgegner. Der Vater wird seit Anfang 2010 von einem Pflegedienst in der eigenen Wohnung betreut und versorgt. Dafür fallen Kosten in Höhe von ca. 2.900 € pro Monat. Da der Vater nicht alle Kosten selbst decken kann, bezieht er laufende Sozialhilfe.. Der Sozialhilfeträger  verlangt von dem Sohn  für den Zeitraum ab Januar 2012 Elternunterhalt. Der Antragsgegner lebt in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Aus dieser Beziehung ist eine im Dezember 2008 geborene Tochter hervorgegangen. Die Lebensgefährtin des Antragsgegners ist geschieden. Zwei aus ihrer Ehe stammende minderjährige Kinder leben ebenfalls im gemeinsamen Haushalt.

Das Amtsgericht hat dem Antrag des Sozialträgers stattgegeben. Dagegen legte der Antragsgegner Beschwerde ein, die vom Oberlandesgericht (= OLG) abgewiesen wurde. Dagegen legte der Antragsgegner Rechtsbeschwerde ein.

2. Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 19.02.2016 (Az.: XII ZB 693/14)

Der u.a. für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat der Rechtsbeschwerde stattgegeben und die Angelegenheit zur erneuten Verhandlung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

a) Der BGH verwies zunächst darauf, dass sich der Antragsgegner nicht auf den sonst  für Verheiratete angesetzten “Familienselbstbehalt” berufen könne. Übersteigt das Einkommen des Unterhaltspflichtigen seinen Selbstbehalt von 1.800 € bei Alleinstehenden und von 3.240 € bei Verheirateten, erhöht sich beim Elternunterhalt der Selbstbehalt mit dem Einkommen. Da der Antrgagsgegner nicht verheiratet war, wurde nur der Selbstbehalt eines Alleinstehenden (1.800 €) berücksichtigt.

b) Der BGH hat die mögliche Unterhaltspflicht des Antragsgegners gegenüber sein Lebensgefährtin wegen Betreuung der minderjährigen Tochter als Abzugsposten im Rahmen der Unterhaltsberechnung berücksichtigt. Es müsse jetzt nur festgestellt werden, ob noch ein Betreuungsunterhaltsanspruch für die Lebensgefährtin besteht. Hierzu führt der BGH in seiner Pressemitteilung aus:

” Weil das Oberlandesgericht einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt mit unzutreffenden Erwägungen abgewiesen hat, konnte die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Ist das gemeinsame Kind, wie hier, älter als drei Jahre, steht dem betreuenden Elternteil nach § 1615 l Abs. 2 Satz 4 BGB dann weiterhin ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt zu, wenn dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind kind- und elternbezogene Gründe zu berücksichtigen. Da hier keine kindbezogenen Verlängerungsgründe festgestellt sind, kamen lediglich elternbezogene Gründe in Betracht. Solche können bei zusammenlebenden Eltern auch darin liegen, dass ein Elternteil das gemeinsame Kind im Einvernehmen mit dem anderen Elternteil persönlich betreut und deshalb voll oder teilweise an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. Eine rechtsmissbräuchliche Ausgestaltung des familiären Zusammenlebens zu Lasten des Unterhaltsanspruchs des Vaters ist hier nicht ersichtlich.

Auf dieser rechtlichen Grundlage wird das Oberlandesgericht nun Grund und Höhe eines vorrangig zu berücksichtigenden Anspruchs auf Betreuungsunterhalt feststellen müssen” (vgl. Pressemitteilung des BGH vom 09.03.2016, PM 54/2016)

3. Fazit

  • Fällt Betreuungsunterhalt an, dann kann dieser Unterhalt dem Elternunterhalt vorgehen. Hat der Unterhaltspflichtige nicht genügend Einkommen, um allen Unterhaltsberechtigte Unterhalt zu zahlen, so geht der Betreuungsunterhalt dem Elternunterhalt vor. Dies ergibt sich schon aus §1609 BGB.
  • Ob nach dem dritten Lebensjahr des Kindes noch Betreuungsunterhalt geschuldet wird, hängt von sog. Billigkeitserwägungen ab. Hierbei spielen kindbezogene Verlängerungsgründe (z.B. Krankheit des Kindes) als elternbezogene Gründe eine Rolle.
  • Neu an der Entscheidung ist die Möglichkeit der nichtehelichen Eltern frei zu entscheiden, ob nach dem dritten Lebensjahr des Kindes ein Elternteil weniger arbeitet und sich dadurch ein Betreuungsunterhaltsanspruch ergibt. Eine solche Entscheidung sei nicht rechtsmißbräuchlich.

Autor: Rechtsanwalt Klaus Wille

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