1. Sachverhalt

Die Kindeseltern sind nicht miteinander verheiratet. Aus ihrer Beziehung ist das Kind S. hervorgegangen. Die Eltern haben für das Kind eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben. Das Kind lebt in Haushalt der Kindesmutter. Der Kindesmutter wurde in einem anderen Verfahren das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind übertragen. Der Vater wurde im Jahre 2011 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Landgericht hat die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig, weil der Kindesvater gegen seine Verurteilung Revision eingelegt hat.
Die Antragsstellerin beantragt nun die alleinige elterliche Sorge für das Kind und verweist darauf, dass der Vater aufgrund seiner Inhaftierung die elterliche Sorge dauerhaft nicht ausüben könne. Sie möchte in Zukunft bei allen wichtigen Fragen zügig und endgültig Entscheidungen treffen können.  Der Vater habe sich in der Vergangenheit wenig um das Kind gekümmert. Das Familiengericht Koblenz hat den Antrag der Kindesmutter abgelehnt. Es hatte davor die beteiligten Eltern, das Kind und das Jugendamt angehört. Dagegen legte die Kindesmutter Beschwerde ein.

2. Rechtlicher Hintergrund

Gem. § 1666 Abs.1 BGB kann dem Sorgeberechtigten die elterliche Sorge bzw. ein Teil des selben entzogen werden, wenn das Kindeswohl gefährdet wird, sofern der Sorgeberechtigte nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Gefahr für das Kind abzuwenden. Gem. § 1674 BGB ruht die elterliche Sorge eines Elternteils, wenn ein Elternteil aus tatsächlichen Gründen gehindert ist die elterliche Sorge auszuüben. Eine längerfristige Inhaftierung ist eine tatsächliche Verhinderung an der Ausübung der elterlichen Sorge. In der Regel gilt, dass bei einer länger andauernden Strafhaft die elterliche Sorge ruht. Dies muss das Amtsgericht in seinem Beschluss feststellen. Hatten die Eltern vorher das gemeinsame Sorgerecht, so führt das Ruhen dazu, dass der andere Elternteil von Gesetzes wegen die elterliche Sorge alleine ausführt (§ 1678 Abs.1 BGB). Mehr

3. Beschluss des OLG Koblenz vom 17.11.2011 (Az.: 13 UF 839/11)

Das OLG hält die Beschwerde der Antragstellerin für begründet und übertrug ihr das alleinige Sorgerecht.

Für das OLG stehe fest, dass der Kindesvater bis zu Volljährigkeit des Kindes das gemeinsame Sorgerecht nicht mehr ausüben könne. Denn der Kindesvater werde aller Voraussicht nach bis zu Volljährigkeit des Kindes nicht aus der Strafhaft entlassen. Dies gelte auch dann, falls die Revision des Kindesvaters Erfolg habe und der Schuldspruch in Totschlag abgeändert werde. Trotz allem ist damit zu rechnen, dass der Kindesvater bis zur Volljährigkeit des Kindes in Strafhaft bleibe. Es halte in diesem Fall ein gemeinsames Sorgerecht nicht für praktikabel und es stelle auch keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Elternrecht des Kindesvaters dar. Hierzu führt das OLG wie folgt aus:

„ Eine gemeinsame elterliche Sorge ist bei lebenslanger Freiheitsstrafe bzw. sehr langer Haftdauer nicht praktikabel. Zwar gibt es die Möglichkeit dass die Eltern brieflich oder i Einzelfall auch telefonisch miteinander kommunizieren können. Nach Auffassung des Senats ist aber der Kindesmutter bereits ein Besuch des Antragsgegners in der Justizvollzuganstalt unzumutbar, sodass alles schriftlich oder telefonisch geregelt werden müsste. Es entspricht auch nicht dem Kindeswohl, wenn der Vater aus der Strafhaft heraus in Ausübung der Sorge bspw. mit der Schule Kontakt aufnimmt, um sich über die Kindesbelange zu informieren. An Schulferien, Elternabend oder kirchlichen Festtagen kann er, bedingt durch die Sachzwänge des Vollzugs nicht teilnehmen. Dem Vater bei dieser Sachlage die elterliche Mitsorge, die er tatsächlich nicht ausüben kann zu belassen, würde der Lebenswirklichkeit des Kindes nicht gerecht. Unter diesen Voraussetzungen kann auch eine gemeinsame elterliche Sorge dem Wohl des Kindes nicht entsprechen.“

4. Fazit

Es ist für den Kindesvater selbstverständlich aller Voraussicht nach frustrierend, auch das gemeinsame Sorgerecht zu verlieren. Aufgrund seiner Straftat – hierbei muss unterstellt werden dass er die Tat begangen hat und dass er aller Voraussicht nach auch bis zur Volljährigkeit des Kindes in Haft bleiben wird – war dem Kindesvater zu Recht das Sorgerecht zu entziehen. Es ist richtig, dass man aus der Strafhaft telefonieren und auch Briefe erhalten und schreibe kann. Es wird sich aller Voraussicht nach in der Praxis als fast unmöglich herausstellen in eiligen Fällen eine sachgerechte Lösung zu erhalten. Die Entscheidung des OLG ist daher nachvollziehbar.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Klaus Wille
und Fachanwalt für Familienrecht
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