Eigenmächtige Mitnahme des Kindes durch einen Elternteil nach Trennung.

1. Sachverhalt

Die nicht verheirateten Eltern haben ein gemeinsames Kind, für das beide Eltern die Sorgeerklärung abgegeben haben. Als sich die Eltern trennen, zieht die Mutter ohne Zustimmung des Kindesvaters mit dem gemeinsamen Sohn in eine andere Stadt.

Daraufhin beantragte der Vater die Übertragung der Alleinsorge und hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Sohn. Die Mutter beantragte die Zurückweisung des Antrags. Durch einstweilige Anordnung übertrug das Familiengericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den gemeinsamen Sohn auf den Vater.

Dagegen legte die Mutter vor dem OLG Saarbrücken Beschwerde ein. Sie begehrte die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und die Herausgabe des Kindes auf sich.

2. Rechtlicher Hintergrund

Gemäß § 49 Abs. 1 FamFG kann das Gericht durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Maßnahme treffen, soweit dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht.

Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so kann jeder Elternteil gem. § 1671 Abs. 1 und 2 BGB beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge allein überträgt. Einem solchen Antrag ist stattzugeben, soweit der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, dass das Kind das 14. Lebensjahr vollendet hat und der Übertragung widerspricht, oder zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

3. Beschluss des OLG Saarbrücken vom 06.04.2011 (6 UF 40/11)

Das OLG lehnte die Beschwerde der Mutter ab.

Durch den, ohne Einverständnis des Vaters, vollzogenen Umzug in eine andere Stadt und den damit verbundenen Aufenthaltswechsel des Kindes, habe die Mutter kindeswohlwidrig gehandelt und versucht faktische Verhältnisse zu schaffen. Das Kind sei in seinem bisherigen Umfeld bereits sozial integriert gewesen. Mit der vorläufigen Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater kehre das Kind in seine gewohnte Umgebung zurück und damit, bis zum Hauptsacheverfahren, Ruhe ein.

Weiter diene eine eigenmächtige spontane Herausnahme des Kindes aus seinem bisherigen Lebenskreis mit dem Ziel seiner dauerhaften Verbringung in eine neue Umgebung in der ersten Phase der räumlichen Trennung der Eltern häufig nicht dem Wohl des Kindes und solch eigenmächtiges Verhalten eines Elternteils sei gewichtig im Rahmen der Beurteilung seiner Erziehungseignung zu berücksichtigen.

Unter kindesbezogener Abwägung sei der Verbleib des Kindes bei dem Vater vorzugswürdig.

Sollte im Hauptsacheverfahren der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen werden, verzögere sich der Wechsel des Kindes zu ihr nur um einen sehr überschaubaren Zeitraum.

Ein sofortiger Wechsel des Kindes zur Mutter im wegen des einstweiligen Anordnungsverfahrens würde das Kind aus seinem derzeitigen sozialen Umfeld reißen und dies wäre mit Belastungen für das Kind verbunden. Würde dem Vater in diesem Fall dann das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen, wäre dies zudem mit einem nochmaligen Aufenthaltswechsel des Kindes zurück zu dem einstigen verbunden. Dies würde das Kindeswohl in wesentlichem Maße beeinträchtigen.

Die von der Vorinstanz getroffene Regelung sei also beizubehalten.

Gegen die Nachteile, die mit einem erneuten vorläufigen Wohnortswechsels des Kindes verbunden wären seien hier keine übergewichtig sprechenden Gesichtspunkte ersichtlich. Auch ein naturgegebener Vorrang der mütterlichen Bindung zum Kind könne nicht mehr angenommen werden, wenn das Kind auch eine gute Beziehung zu dem Vater aufgebaut habe.

4. Fazit

Die Entscheidung des OLG zeigt, dass die Sonderstellung getrenntlebender Mütter vor Gericht, vor der Stellung getrenntlebender Väter, immer mehr abnimmt. Ein spontaner Umzug einer getrennt lebenden Mutter mit dem gemeinsamen Kind in eine andere Stadt, kann von dem Vater durchaus verhindert werden. Solch ein eigenmächtiges Verhalten kann sich dann auch negativ auf die Beurteilung der Erziehungseignung der betreffenden Mutter, durch das Gericht auswirken.

5. Quelle

Der Beschluss des OLG Saarbrücken ist über die Rechtssprechungsdatenbank Saarland www.rechtsprechung.saarland.de unter Eingabe des Aktenzeichens in die Dokumentensuche als Volltext abzurufen.

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Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wille
Rechtsanwalt und
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