1. Sachverhalt

Die Parteien hatten 2004 geheiratet und sich im Herbst 2005 wieder getrennt. Die Ehe ist seit Juli 2008 rechtskräftig geschieden.
Aus der Ehe ist ein Kind hervorgegangen. Das Kind wurde im Jahr 2005 geboren. Seit der Trennung lebt das Kind bei der Kindesmutter, die auch das Aufenthaltsbstimmungsrecht erhalten hat. Die Parteien hatten mittels Ehevertrages den Versorgungsausgleich ausgeschlossen und die Gütertrennung vereinbart.
Zusätzlich wurde auf den nachehelichen Unterhalt verzichtet. Der Verzicht bezog sich nicht auf den Betreuungsunterhalt und den Aufstockungsunterhalt, wobei die Höhe des Unterhalts auf 2000 EUR begrenzt war.
Der Ehemann war in vorzeitigem Ruhestand und die Ehefrau arbeitete 25 Stunden pro Woche.
Der Ehemann hatte das Recht an jedem Mittwochnachmittag sowie an jedem zweiten Wochenende von samstags bis sonntags das Umgangsrecht auszuüben. An den anderen Wochenende übte der Kindesvater zusätzlich freitagsnachmittags das Umgangsrecht aus.
Das Kind hatte einen Ganztagskindergartenplatz von 7:30 bis 16:30 Uhr. Die Kosten für den Kindergarten trägt die Ehefrau.
Die Ehefrau beantragt Unterhalt; der Antrag wurde vor dem Amtsgericht abgewiesen . Dagegen legte die Ehefrau Berufung ein und hatte vor dem Oberlandesgericht Erfolg. Dagegen legte der Ehemann Revision ein.

2. Rechtlicher Hintergrund

Nach § 1570 BGB n.F. kann ein geschiedener Ehegatte von dem anderen wegen der Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes für mindestens 3 Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs kann sich dann aus Billigkeitsgründen verlängern. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.
In diesem Zusammenhang stellte sich immer wieder die Frage, ob derjenige, der das Kind betreut und daher Unterhalt beansprucht, die Angebote des unterhaltspflichtigen Elternteils annehmen muß.
Zusätzlich wurde die Frage aufgeworfen, ob man nach dem Alter der Kinder auf die Erwerbsobliegenheit des unterhaltsberechtigten Ehegatten abstellen kann. Das Altersphasenmodell war für alle Beteiligten klar und nachvollziebar, berücksichtigte nicht die Einzelfälle.
Bis zum 31.12.2007 galt für die Dauer des Betreuungsunterhaltes das sog. “Altersphasenmodell”. Es hatte im Wesentlichen zum Inhalt, dass eine Erwerbsobliegenheit des kinderbetreuenden Elternteils, nicht bestand, bevor das Kind ein Alter von 8 Jahren erreicht hatte. Danach wurde in der Regel eine Einzelfallprüfung vorgenommen. Spätestens ab dem 11. Lebensjahr des Kindes gab es eine Pflicht zur Teilzeitbeschäftigung für denjenigen, der das Kind betreute. Ab dem 15. Lebensjahr des Kindes mußte in der Regel eine Vollzeitbeschäftigung aufgenommen werden (BGH FamRZ 1997, 671, 673).

3. Urteil des Bundesgerichtshofes vom 01.06.2011 (Az.: XII ZR 45/09)

Der BGH hob es Urteil des OLG auf und verwies die Angelegenheit zur weiteren Verhandlung an das Berufungsgericht zurück.
a) Der BGH stellte zunächst fest, dass mit Vollendung des dritten Lebensjahrs des gemeinsamen Kindes grundsätzlich eine Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils einsetzt. Eine Verlängerung des Betreuungsunterhaltes kann nur im Rahmen einer Billigkeitsabwägung gewährt werden. Dabei sind kind- und elternbezogene Verlängerungsgründe zu berücksichtigen. Hier sind insbesondere kindbezogene Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts nach Billigkeit vorrangig zu prüfen.
b) Der BGH stört sich in seinem Urteil insbesondere daran, daß das OLG die bisherigen Umgangszeiten des Ehemannes mit dem Kind und auch die angebotene Erweiterung der Umgangszeiten durch den Vater zu pauschal behandelt habe. Denn allein durch die bisherigen Umgangstermine sei für die Ehefrau eine Entlastung erfolgt. Damit könne die Ehefrau schon jetzt längere Zeit arbeiten. Der BGH führt dazu aus:

"Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts betreut der Antragsgegner das gemeinsame Kind an jedem Mittwochnachmittag sowie im wöchentlichen Wechsel von samstags 10.00 Uhr bis sonntags 18.00 Uhr oder freitags nachmittags. Damit ist schon jetzt eine zusätzliche Entlastung der Antragstellerin verbunden, die die Ausführungen des Berufungsgerichts, der Umfang einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nebst Mittagspause und Fahrzeiten übersteige den Umfang der neunstündigen Betreuungsmöglichkeiten im Kindergarten, jedenfalls für einzelne Tage in Frage stellt. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner eine Ausweitung oder Umgestaltung der Betreuung des gemeinsamen Kindes angeboten hat. Der Senat hat bereits entschieden, dass grundsätzlich auch der barunterhaltspflichtige Elternteil als Betreuungsperson in Betracht zu ziehen ist, wenn er dies ernsthaft und verlässlich anbietet (…). Wie bei der Ausgestaltung des Umgangsrechts nach § 1684 BGB ist auch im Rahmen des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB maßgeblich auf das Kindeswohl abzustellen, hinter dem rein unterhaltsrechtliche Erwägungen zurücktreten müssen. Ist bereits eine am Kindeswohl orientierte abschließende Umgangsregelung vorhanden, ist diese grundsätzlich vorgreiflich.

Durchgreifende Umstände gegen eine Umgestaltung des Umgangsrechts des Antragsgegners hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Es hat insbesondere nicht festgestellt, ob und auf welche Weise der Antragsgegner die Antragstellerin gegenüber dem gemeinsamen Kind abwertet und dadurch dem Kindeswohl zuwider handelt. Die Ausführungen des Berufungsgerichts beschränken sich vielmehr darauf, allgemein die Folgen einer erlebten ständigen Abwertung des jeweils anderen Elternteils darzulegen. Auch eine seelische Belastung des gemeinsamen Kindes durch den Streit der Eltern hat das Oberlandesgericht nicht konkret festgestellt. Es hat lediglich ausgeführt, dass sich ein vehementer Streit der Eltern zwangsläufig als seelische Belastung des Kindes auswirken müsse.
Hinzu kommt, dass hier schon eine Umgestaltung des Umgangsrechts ohne zeitliche Ausweitung zu einer ausreichenden Betreuung des gemeinsamen Kindes während einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit der Antragstellerin führen könnte. Ist – wie hier – der barunterhaltspflichtige Elternteil bereits im Vorruhestand und der betreuende Elternteil noch erwerbstätig, liegt es nahe, das Umgangsrecht mit einem Kindergartenkind so umzugestalten, dass dadurch der betreuende Elternteil entlastet und ihm eine Erwerbstätigkeit ermöglicht wird. Dass eine solche Umgestaltung des Umgangsrechts die jeweilige Rückkehr des Kindes zur Mutter erschweren könnte, hat das Berufungsgericht nicht konkret festgestellt."

c) Der BGH betont nochmals, daß er nach dem neuen Recht jegliches Altersphasenmodell ausgeschlossen sei. Dies habe der BGH bereits mit Urteil vom 30. März 2011 – XII ZR 3/09 klargestellt. Näheres zu dem Urteil vom 30.03.2011 finden Sie hier.
d) Auch die elternbezogenen Gründe sind hier nicht ersichtlich. Denn durch das Angebot des Ehemannes das Kind in größerem Umfang zu betreuen, könne die Kindesmutter länger arbeiten. Eine nachehelichen Solidarität bei einer der kurzen Ehe sei nicht gegeben, insbesondere weil die Eheleute sich bereits nach 9 Monate endgültig getrennt hätten.

4. Fazit

Der BGH fasst in diesem Urteil nochmals kurz seine wichtigsten Urteile aus der Vergangenheit in einem Urteil zusammen:
Danach gibt es kein Altersphasenmodell und das Angebot auf Betreuung durch den Unterhaltspflichtigen sei eingehend zu prüfen.
In diesem Verfahren bestand natürlich die Besonderheit, daß der Kindesvaters bereits im Ruhestand war und daher auch die notwendige Zeit aufbringen konnte. Interessant wird ein Verfahren sein, wenn der Kindesvater sogar anbiete seine Arbeitszeit einzuschränken.
Der BGH hat leider nicht erwähnt, daß sowohl das Sorgerecht als auch der Umfang des Umgangsrecht zum Zeitpunkt der Entscheidung des OLG höchststreitig waren. Es ist aus dem Urteil auch nicht ersichtich, ob sich die Parteien über den Umgang endgültig geeinigt haben.
In der Sachverhaltsschilderung des OLG ist dabei zu lesen:
"Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind und der Umgang zwischen Vater und Kind sind zwischen den Parteien streitig und Gegenstand mehrerer Gerichtsverfahren. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist der Antragstellerin durch einstweilige Anordnung des Amtsgerichts O1 übertragen worden. Das diesbezügliche, mittlerweile beim Amtsgericht O3 im … anhängige Hauptsacheverfahren und ein im zweiten Rechtszug hier anhängiges Umgangsrechtsverfahren sind im Hinblick auf ein von den Parteien angestrengtes Mediationsverfahren ausgesetzt worden." (OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.08.2008 – 3 UF 124/08)
Wenn der BGH die Gerichte in Unterhaltsverfahren und bei streitigen Umgangsverfahren verpflichten will, das Angebot zu des Unterhaltspflichtigen auf Ausweitung der Besuchszeiten zu prüfen, muß immer beachtet werden, aus welchen Gründen die Umgangserweiterung angeboten wird. Es ist aber m.E. nicht förderlich, wenn man den Umgangsrechtsstreit nun auch noch in den Unterhaltsprozess hineinzieht. Was ist, wenn sich die Parteien vor dem Unterhaltsprozess auf den Umgang geeinigt haben? Besteht hier die Bindung des Kindesvaters an diese Einigung?

5. Quelle

http://www.bundesgerichtshof.de  (dort unter Entscheidungen)
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Rechtsanwalt Klaus Wille
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