1. Sachverhalt (abgekürzt)
Der Kläger hat minderjährige Kinder (= Beklagte). Er ist in 2. Ehe verheiratet. Die Kläger arbeitet von montags bis donnerstags jeweils von 7 – 16 Uhr, freitags von 7 – 13 Uhr und einmal im Monat am Wochenende. Aufgrund eines Unterhaltsfestsetzungschlusses aus dem Jahre 2004 wurde der Unterhalt gegen den Kläger festgesetzt. Diesen Unterhaltstitel möchte der Kläger nun abändern. Er begründet dies u.a. damit, daß er nicht ausreichend leistungsfähig sei.
2. Rechtlicher Hintergrund
Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren (§1601 BGB). Gegenüber Kinder besteht grds. eine gesteigerte Unterhaltspflicht. Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Hat ein Unterhaltsverpflichtete weniger Einkommen als seinen Selbstbehalt, so wird in der Regel geprüft, ob er eine Nebentätigkeit aufnehmen muß, um den Unterhalt zu zahlen.
3. Urteil des Amtsgericht Flensburg vom 06.10.2009 (Az.: 92 F 187/09)
Das Amtsgericht gab der Abänderungsklage des Klägers zum Teil statt und senkte den Unterhalt. Das Gericht hält es für zumutbar, dem Kläger ein zusätzliches monatliches Einkommen in Höhe von 100 € zuzurechnen.
Grundsätzlich sei die Nebentätigkeitsverpflichtung in den Fällen anerkannt, in denen der Unterhaltspflichtige durch sein regelmäßiges Einkommen zumindest nicht den Mindestunterhalt zahlen könne. Im Rahmen einer Einzelfallprüfung werde geprüft, ob eine Nebentätigkeit für den Unterhaltspflichtigen zumutbar sei. Dazu führt das Amtsgericht aus:

"Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob der Unterhaltspflichtige aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse eine Nebentätigkeit überhaupt ausüben kann, welche Art von Nebentätigkeit ihm konkret zumutbar ist und wie hoch der daraus anzurechnende fiktive Verdienst wäre (Viefhus, jurisPK, § 1603, Rdn. 357). Bei der Prüfung, ob die Ausübung einer Nebentätigkeit nach den persönlichen Umständen möglich und zumutbar ist, kommt es zunächst darauf an, welche Art von Tätigkeit im Hauptberuf ausgeübt wird und wie hoch die sich daraus ergebende Belastung ist (…). Hierbei sind insbesondere die Umgangskontakte zu den gemeinsamen Kindern zu berücksichtigen (…) .
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der Kläger erneut verheiratet ist und montags bis donnerstags von 07.00 Uhr bis 16.00 Uhr arbeitet und freitags von 07.00 Uhr bis 13.00 Uhr. Einmal monatlich arbeitet der Kläger einen Tag am Wochenende. Umgangskontakte zu den gemeinsamen Kindern finden nur in den Ferien statt. Sein Kind T. sieht der Kläger einmal im Monat montags. Somit ist festzustellen, dass jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass es sich bei der Erwerbstätigkeit des Klägers um eine besonders belastende Tätigkeit handelt. Auch der zeitliche Umfang der Erwerbstätigkeit bewegt sich mit 40 Stunden wöchentlich im normalen Bereich. Etwaige Umgangskontakte zu den Kindern stehen einer Nebenerwerbstätigkeit nicht im Wege, da diese Umgangskontakte nur in den Ferien, d. h. wenn der Kläger Urlaub hat, durchgeführt werden. Auch die einfache Entfernung zur Arbeitsstelle von 35 km ist heutzutage als üblich anzusehen, so dass auch hier keine besonderen Erschwernisse bei der Haupttätigkeit anzunehmen sind.
Objektive Grenze für den zeitlichen Maßstab einer etwaigen Nebentätigkeit des Klägers ist das Arbeitszeitgesetz. Gemäß § 3 ArbZG darf die werktägliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers grundsätzlich 8 Stunden nicht überschreiten. Dabei sind gemäß § 2 ArbZG die Arbeitszeiten bei verschiedenen Arbeitgebern zusammenzurechnen. Somit ergibt es eine objektive Obergrenze der zumutbaren Erwerbstätigkeit des Unterhaltspflichtigen von insgesamt 48 Wochenstunden (BGH a. a. O.).
Wenn man dies auf das gesamte Jahr hochrechnet, ergibt sich, einer Entscheidung des OLG Karlsruhe folgend (OLG Karlsruhe, FamRZ 2007, S. 1123ff), eine durchschnittliche monatliche Arbeitszeit von maximal 188 Stunden. Eine vollschichtige Tätigkeit ist mit 174 Stunden monatlich anzusetzen, so dass unter Beachtung der im Arbeitszeitgesetz vorgesehenen Begrenzung eine Nebentätigkeit von durchschnittlich 14 Stunden im Monat verlangt werden kann.
Unter Berücksichtigung eines erzielbaren Stundenlohns von 8 Euro brutto (vgl. OLG Schleswig, SchlHA 2008, S. 69) für in Betracht kommende Reinigungs- und Hilfsarbeiten (Regale auffüllen im Supermarkt, Zeitungen austragen u. ä.) erscheint ein Einkommen in Höhe von 112,00 € erzielbar (OLG Karlsruhe, a. a. O.). Steuern und Sozialabgaben fallen bei einem Nebenjob auf 400 € – Basis auf Seiten des Arbeitnehmers nicht an. Abzüglich pauschaler berufsbedingter Aufwendungen ergibt sich dann ein zusätzliches monatliches Einkommen in Höhe von 100,00 €."

Daher wurde dem Kläger aufgrund dieser "Nebentätigkeit" ein weiteres Einkommen berücksichtigt, so daß  er – neben einer Reduzierung des Selbstbehaltes – ein bereinigtes Einkommen angerechnet erhielt, mit dem er zumindest einen Teil des Unterhalts zahlen konnte.
4. Fazit
Für Unterhaltspflichtige bedeutet diese Entscheidung im Grundsatz, daß sie weiterhin eine Nebentätigkeit aufnehmen müssen.

Tipp: Der pauschale Hinweis, der Arbeitgeber erlaube keine Nebentätigkeit hilft nur in Ausnahmefällen.

Gerade in den Fällen des Kindesunterhaltes sind die Anforderungen für den Unterhaltspflichtigen sehr hoch.
Für Rückfragen zu diesem oder anderen Themen stehe wir Ihnen gerne zur Verfügung. Einen Beratungstermin können Sie gerne hier vereinbaren.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wille
Fachanwalt für Familienrecht
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