Der Unterhaltsanspruch für die Ehefrau und die Kinder aus der zweiten Ehe, haben auch Auswirkungen auf den Unterhaltsanspruch für die Ehefrau aus der ersten Ehe. Dies hat der BGH entschieden. Der Unterhaltsanspruch, der nach 2006 aber vor dem 01.01.2008 entschieden wurde, unterliegt nicht der Befristung, wenn sich die Tatsachen seit dem geändert haben.
1. Sachverhalt (gemäß Pressemitteilung 238/2009)
Der Kläger war mit der Beklagte von 1975 bis 2003 verheiratet. Der Kläger zahlte seit der Scheidung Aufstockungsunterhalt. Der Kläger ist Chemieingenieur, die Beklagte Reinigungskraft. 2004 heiratete der Kläger wieder. Aus dieser Ehe (= 2. Ehe) ist ein Kind hervorgegangen. Außerdem adoptierte er den Sohn seiner Ehefrau. Die Ehefrau ist nicht erwerbstätig. Der Unterhalt der Beklagten wurde zuletzt durch Urteil des Familiengerichts vom August 2007 auf mtl. 607 € festgesetzt. Bei der Unterhaltsberechnung wurden die Unterhaltspflichten des Klägers gegenüber den beiden Kindern berücksichtigt, nicht aber die Unterhaltspflicht gegenüber seiner jetzigen Ehefrau.
Der Kläger begehrt nun Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs er ersten Ehefrau, wegen des Unterhalts für die zweite Ehefrau. Das Amtsgericht und das Oberlandesgericht gaben dem Antrag statt und reduzierten den Unterhalt auf 290 €. Eine weitere Herabsetzung oder eine Befristung für die Zeit ab 2008 wurde abgelehnt. Dagegen legte der Kläger Revision ein.
2. Rechtliche Hintergrund
Heiratet eine geschiedener Ehepartner neu und entstehen dadurch in der Zweitehe neue Unterhaltsansprüche so war nicht immer eindeutig, wie diese Unterhaltspflicht im Verhältnis zur ersten Ehefrau  zählten. Der BGH hatte bereits entschieden, daß nach der Scheidung entstandene Unterhaltspflichten gegenüber Kinder und gegenüber dem neuen Ehegatten bei der Ermittlung des Unterhaltsbedarfs zu berücksichtigen sind. Daraus folgte eine unterschiedliche Berechnung des Unterhalts für den neuen Ehegatten bis zum 31.12.2007 einerseits und ab dem 01.01.2008 andererseits.
3. Urteil des Bundesgerichtshofes vom 18.11.2009 (Az.: XII ZR 65/09)
Der BGH hat entschieden, daß die Unterhaltsberechnung im Hinblick auf die Zeit ab dem 1.1.2009 etwas anders vorgenommen wird. Das zur Verfügung stehende  Einkommen der Parteien wird durch alle Ehepartner geteilt, so daß jeder Ehepartner zum Schluß "gleich viel" Einkommen hat. Durch den neuen Ehepartern stehe insgesamt weniger Geld zur Verfügung; der "Lebensstandard sinke (…) ebenso wie bei anderen unverschuldeten Einkommensrückgängen".
Dann mußte der BGH klären, wie die Tatsache zu bewerten ist, daß die neue Ehefrau im Gegensatz zur Ehefrau aus der ersten Ehe keine Erwerbstätigkeit hat. Dazu gibt die Pressemitteilung wie folgt Stellung:

"Im Rahmen der Unterhaltsberechnung hat der Bundesgerichtshof hingegen nicht akzeptiert, dass die neue Ehefrau – anders als die geschiedene Beklagte – nicht erwerbstätig ist. Vielmehr seien für die geschiedene wie für die neue Ehefrau die gleichen Maßstäbe anzuwenden. Zwar sei die Rollenverteilung in der neuen Ehe gesetzlich zulässig und könne nicht als rechtsmissbräuchlich bewertet werden. Die Rollenverteilung betreffe indessen nur das Innenverhältnis zwischen den neuen Ehegatten. Dass diese im Verhältnis zum geschiedenen Ehegatten nicht ausschlaggebend sein dürfe, ergebe sich bereits aus der vom Gesetzgeber im anderen Zusammenhang getroffenen Entscheidung (zum Rang der Unterhaltsansprüche vgl. § 1609 Nr. 2 BGB), wonach für den geschiedenen und den neuen Ehegatten im Hinblick auf die Erwerbsverpflichtung die gleichen Maßstäbe gelten sollten. Daher sei der Unterhalt der neuen Ehefrau zum Zwecke der Gleichbehandlung so zu ermitteln, als wäre die neue Ehe ebenfalls geschieden."

Schließlich hatte der BGH noch die Frage zu beantworten, ob eine Befristung des Aufstockungsunterhalts wegen der Unterhaltsreform zum 01.01.2008 in Betracht kommt. Dies verneinte das Gericht, da sich die Rechtslage durch die Reform nicht geändert habe. Denn: Die neue Vorschrift des § 1578 b BGB stelle nur klar, was bereits aufgrund des Urteils des BGH vom 12. April 2006 (FamRZ 2006, 1006) gegolten habe. "Konsequenz dieser Entscheidung ist somit, dass bei allen rechtskräftigen Unterhaltstiteln, die vor der am 1.1.2008 in Kraft getretenen Unterhaltsreform, aber nach der Änderung der Rechtsprechung im Jahr 2006 erlassen wurden, bei ansonsten gleich gebliebener Tatsachenlage eine nachträgliche Befristung aufgrund der Rechtskraft des vorausgegangenen Urteils ausgeschlossen ist"
4. Fazit
Der BGH stellte nun klar, daß die erste Ehefrau gegenüber der zweiten Ehefrau nicht bevorzugt werden soll. Vielmehr ist die zweite Ehefrau bei der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen.
Wichtig ist auch die Aussage, daß bestimmte Unterhaltsansprüche, die vor dem 01.08.2008 durch ein Urteil festgesetzt worden sind, nicht allein wegen der Unterhaltsreform befristet werden können. Dies gilt v.a. dann, wenn sich die Tatsachenlage nicht verändert hat.
5. Quelle
Das Urteil liegt derzeit noch nicht vor. Die Pressemittelung 238/2009 können Sie unter www.bundesgerichtshof.de (Rubrik Presse) erhalten.
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Klaus Wille
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